einzel_blatt_grKlein Carl Moritz

 geboren am 12. November 1998      gestorben am 12. Februar 1999
im Alter von drei Monaten

 

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Moritz mit 3 Tagen (noch in der Geburtsklinik)

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Lass dich fallen in
deine Trauer
Und schäme dich nicht
deiner Tränen.

Weine um vergangenes Glück –
aber öffne dein Herz
für all die Liebe,
die dir gegeben wird
 
Annette Könnecke

 

 

 

Moritz an Weihnachten '98, 6 Wochen alt

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Moritz mit 2 1/2 Monaten


 

An Moritz,

zum 2.Geburtstag!



Laufen, lachen, Mama-Sagen,

Brüder ärgern, sich vertragen

Mit der Windel experimentieren,

Weihnachten den Baum abzieren,

uns alle zum Lachen bringen,

schon die ersten Lieder singen,

auf dem  Bobbycar die Welt erobern

mit Valentin was ausbaldowern.

Papas Gutnachtgeschichten genießen

und die großen Geschwister begrüßen,

die am Mittag nach Hause kommen.
 

Alles wurde uns genommen.

Zurück bleibt die Erinnerung

an 3 Monate Zeit mit dir -

und deine Botschaft, die wir

weitergeben müssen

an alle Eltern:

Ich hab dich lieb

Take the back to sleep!

Danke!


Deine Mama

 

 


 

Der kleine Prinz ist auf seinen Stern zurückgekehrt – unsere Geschichte


Die Schwangerschaft unseres vierten Kindes Carl Moritz kam überraschend - war ich doch zur Genüge mit unserem damals 18 Monate alten Wirbelwind Valentin (* 5.9.1996) beschäftigt. Die beiden Großen, Ruth Maria (*17.6.1988) und Michael (*29.8.1989) waren auch skeptisch bezüglich eines weiteren „Krachmachers“. Doch nach kurzer Zeit gewöhnten wir uns alle an den Gedanken und Vorfreude und Neugier auf das Baby wuchsen mit jeder Schwangerschaftswoche. Trotz vieler körperlicher Beschwerden war ich die meiste Zeit sehr gut gestimmt, hatte ich doch bereits drei Kinder völlig komplikationslos auf die Welt gebracht. Doch die letzten Wochen vor der Geburt wurde ich mit einer neuen Situation konfrontiert: Das Baby saß in Steißlage fest und wollte sich nicht mehr drehen. Ein äußerer (sehr schmerzhafter) Wendungsversuch in der 38. SSW blieb erfolglos. Carl Moritz wollte mit dem Kopf nach oben auf die Erde kommen. So geschah es: Am 12. November 1998, dem schönsten Novembertag des ganzen Monats – ein richtiger „goldener“ Herbsttag, kam unser kleiner Prachtjunge mit 4150g Gewicht und 53cm Körperlänge auf natürlichem Geburtsweg auf die Welt. Er war wunderschön, hatte dunkle, 4-5cm lange Haare und ein rundes, wohlgeformtes Köpfchen.  Eine glückliche, wenn auch anstrengende Zeit begann. Wie bei den ersten Kindern hatte ich Milch im Überfluss und Moritz wuchs und gedieh. Jeden Abend hatte er seine Bauchwehphasen, manchmal bis nach Mitternacht, doch dann schlief er oft acht Stunden. Nach den Erfahrungen mit unseren anderen beiden Jungs wussten wir, dass diese Zeit spätestens nach 12 Wochen vorüber sein würde. Wir trugen  es mit Gelassenheit, dass der Kleine jeden Abend herumgetragen und sein Bäuchlein sanft massiert werden musste und wir viele Dinge einfach liegenlassen mussten. So konnte aber auch der Papa ein sehr intensives Zusammenleben genießen. Am 27. Dezember 1998 feierten wir ein großes Tauffest, luden auch entferntere Verwandte und Freunde ein. Wir haben viele ältere Verwandte und wollten nicht, dass ein nächstes großes Familientreffen eine Beerdigung sein sollte! Ganz stark spürte ich täglich eine tiefe Dankbarkeit, dass alle unsere Kinder gesund sind. Carl Moritz nahm schnell zu und hatte beim wöchentlichen Wiegen am 30.1.1999 bereits 7700g! Die U 4 wenige Tage danach verlief rundum zufriedenstellend. Moritz galt als Baby, dass seiner Entwicklung eher voraus war. Doch dann kam das Ereignis, das unser Leben veränderte.

Genau drei Monate nach seiner Geburt, am 12.Februar 1999 sollte Moritz‘ Leben zu Ende sein. An diesem schwarzen Freitagmorgen meldete sich mein Baby nach fast 10stündigem Schlaf um 6.30 Uhr mit leisen Bewegungen. Noch bevor er richtig wach war, legte ich ihn an meine schmerzende linke Brust, wo er zügig und ruhig trank. Da ich gleich aufstehen musste um die Schulkinder zu wecken, kam Moritz nach dem Trinken – er war bereits wieder eingeschlafen – zurück in seine Schaukelwiege, wie immer auf die Seite, da ich keine Zeit mehr hatte, ihn aufstoßen zu lassen. Gegen 7 Uhr weinte Moritz nochmal. Alle anderen Familienmitglieder waren inzwischen auf den Beinen und es war entsprechend laut im Haus. Da ich wußte, dass er meist wieder einschläft, ging ich nicht gleich nach oben, nachschauen. Er beruhigte sich auch schnell wieder. Wie ich erst später erfuhr, war mein Mann Hermann-Josef nochmal in unser Schlafzimmer gegangen und hatte die Schaukelwiege angestoßen. Das kurze Weinen war der letzte Laut, den wir von unserem Baby hörten! Später, nach 8Uhr ging ich ins obere Stockwerk mit Valentin und erledigte über eine Stunde lang Hausarbeiten, duschte mich und fönte mir die Haare, putzte noch dieses und jenes, während mein Kind starb...Valentin ging ständig ein und aus im Badezimmer und fragte immer wieder: “Jetzt de‘ Moritzel wecke, ja?“ Hätte ich nur auf ihn gehört. Er muss in diesen Minuten gestorben sein. Ich war in seiner Nähe und doch zu weit weg , um mein Baby zu retten.

Als ich kurz nach 9Uhr unser Schlafzimmer betrat und in die Wiege schaute, traf mich der Anblick wie ein Blitzschlag: Moritz war von der Seite auf den Bauch gerollt, sein Gesicht tief in das Fell vergraben, die Arme seitlich rechts und links am Körper ausgestreckt. Als ich in diesem ersten Augenblick nur das Hinterköpfchen sah, wusste ich schon, dass etwas Entsetzliches passiert sein musste. Ich nahm ihn hoch, fühlte, wie klamm und kalt er war und sah, dass er nicht mehr reagierte. Sein rechtes Augenlid war irgendwie hochgeklappt, darunter eine leichte bläuliche Verfärbung. Er war tot! Nein – er konnte doch nicht tot sein! Moritz, komm zurück!  Die Gefühle und Gedanken überschlugen sich. Ich stürzte zum Telefon und wählte mit zitternden Händen, das Baby im Arm,  die Nummer unserer Kinderärztin, verwählte mich mehrmals und schrie dann meine Panik in den Apparat.              

Frau Dr. M. war nach 5 Minuten da, wies mich an, den Rettungswagen zu informieren, während sie mit Intubieren begonnen hatte und gab mir Anleitung für die Herzmassage. Inzwischen waren meine entsetzten Eltern, die ich auch sofort angerufen hatte, eingetroffen. Sie nahmen den verstörten Valentin in ihre Obhut. So erlebte er die Aufruhr um den Rettungsdienst und die gleichzeitig angekommene Polizei nicht mit. Es hatte 15 Minuten gedauert bis der Notarzt da war. Weitere 30 Minuten versuchten sie, Moritz ins Leben zurückzurufen, doch dazu war es schon viel zu spät. Frau Dr. M. vermutete, dass er etwa 30 – 60 Minuten vor dem Auffinden gestorben sein musste. Sie gaben mir mein totes Kind in meine Arme zurück. Diagnose: Plötzlicher Kindstod. Einer der jungen Rettungsassistenten sprach mir sein Beileid aus, ebenso der Notarzt. Sie waren sehr taktvoll und voller Mitgefühl. Auch die beiden Polizisten, die im Haus bleiben mussten bis die Kripo kam, standen betroffen und hilflos da.

Verzweifelt hatte ich versucht, meinen Mann zu erreichen, der an diesem Tag nicht direkt telefonisch erreichbar war. Schließlich gelang es mir, seinen Arbeitskollegen zu sprechen, der Hermann-Josef informierte und nach Hause brachte (gegen 11.30Uhr).

In der Zwischenzeit hatte ich eine Inspektion des Schlafzimmers hinter mir und sollte gerade verhört werden. Anschließend ist das Baby untersucht worden und durfte nicht mehr berührt werden. Lange Zeit sprachen die Beamten mit unserer langjährigen Kinderärztin und kamen schließlich zur Überzeugung, dass hier kein Verbrechen vorliegen könne (diese Gedankengänge wurden mir aber erst später klar). Der Staatsanwalt verzichtete auf eine Obduktion. Noch heute bin ich erleichtert über diese Entscheidung, denn sie ermöglichte es uns, in Frieden von unserem kleinen Prinzen Abschied zu nehmen.

Meine Schwester Sabina war inzwischen eingetroffen, nahm das kleine Kerlchen in die Arme. Die Ärztin hatte uns empfohlen, seinen Kiefer zuzuhalten, damit das Mündchen sich schließen würde. Später kamen auch unsere beiden entsetzten Großen – Michael in Faschingskleidung! und heulten und schrieen als sie ihren kleinen Bruder sahen. Heute Morgen war er doch noch gesund!

Nachdem Ruhe ins Haus eingekehrt war (die Kinder waren mit zur Oma gegangen), nahmen wir unseren Carl Moritz ins Badezimmer, wo ja bereits alles für sein morgendliches Bad gerichtet war und badeten ihn ein letztes Mal. Er war schon so entsetzlich kalt und unbeweglich, dass er fast nicht mehr in die Wanne zu passen schien. Beim Ausziehen erneutes Entsetzen! floss Blut aus seinem Mund und der Nase – eine Folge der Intubierungsversuche. Sorgfältig wusch ich ihn, wir trockneten ihn ab, fönten ihm die Haare und zogen ihm seine hübschesten Sachen an.

Wir betteten unseren toten Jungen in seine Wiege im Wohnzimmer und zündeten seine Taufkerze an. Wir behielten ihn noch den ganzen Tag und verbrachten hier auch die Nacht. Den ganzen Nachmittag waren Verwandte und Freunde gekommen, auch unser Pfarrer. Spät am Abend besuchte uns auch die Kinderärztin noch einmal, selbst noch tief betroffen. Alle versuchten, uns zu trösten und konnten von dem Kleinen Abschied nehmen.

Am Samstagmorgen kam ein Angestellter (ein lieber älterer Herr) des Beerdigungsinstituts mit dem weißen Kindersarg. Der Zeitpunkt war gekommen den kleinen toten Körper herzugeben, ein weiterer Schritt des Loslassens. Für mich war es gut so. Ich konnte ihn jetzt gehen lassen, denn ich hatte das Gefühl, dass mein Kind ganz woanders ist, ja, der leblose Körper schien mir richtig fremd. Hermann-Josef brauchte noch etwas länger. Bis zur Beerdigung besuchte er ihn noch mehrmals (wir hatten den Schlüssel zur Leichenhalle bekommen) und wählte seine Form des Abschiednehmens.

Viele Menschen kamen am darauffolgenden Montag (es war der Rosenmontag) zur Beerdigung. Ein Abschnitt aus dem „Kleinen Prinzen“ von St. Exupery hatten wir als Text zum Vortragen ausgewählt, ebenso die verwendeten Lieder und Gebete. Am meisten Trost brachte mir das Lied von Dietrich Bonhoeffer „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, denn es bringt meine Hoffnung zum Ausdruck, dass mit dem Tod etwas Neues, Schöneres beginnt. Nur mit dieser Vorstellung kann ich – bis heute - den Tod von Carl Moritz ertragen.

 

Sigrid Schwab

 


zierlinie

Von guten Mächten wunderbar geborgen
 

Von guten Mächten treu und still umgeben,

behütet und getröstet wunderbar,

so will ich dieser Tage mit euch  leben

und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Von guten Mächten wunderbar geborgen,

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist mit uns am Abend und am Morgen

Und ganz gewiss an jedem neuen Tag


 
Noch will das alte unsre Herzen quälen,

noch drückt uns böser Tage schwere Last,

ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen

das Heil für das Du uns geschaffen hast.

 
Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern,

des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,

so nehmen wir ihn dankbar, ohne Zittern

aus Deiner guten und geliebten Hand.

 
Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken

An dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,

dann wolln wir des Vergangenen gedenken,

und dann gehört Dir unser Leben ganz.

 

Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,

die Du in unsre Dunkelheit gebracht,

führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.

Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.

 
Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,

so lass uns hören jenen vollen Klang

der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,

all Deiner Kinder hohen Lobgesang.