Obduktion - ja oder nein?
Aufgrund einer äußeren Leichenschau kann das Vorliegen eines SID (Plötzlichen Säuglingstod) zwar vermutet, aber erst durch eine Obduktion bestätigt werden. Beim Plötzlichen Säuglingstod handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose. Ausgeschlossenen wird, dass durch eine morphologische oder durch histologische, chemisch-toxikologische oder bakteriologische Untersuchung erkennbare Todesursache vorliegt, dass der Tod auf eine akute Erkrankung des Kindes (wie z.B. Meningitis, Pneunomie oder Sepsis) oder auf bestehende, aber bisher nicht diagnostizierte Fehlbildungen oder Erkrankungen (wie z.B. Herzfehler, Hirnfehlbildung, Stoffwechselerkrankung, Tumor) zurückzuführen ist.
Eine Obduktion dient aber nicht nur der Diagnose und der Datengewinnung zur Klärung des Phänomens Plötzlicher Säuglingstod. Sie kann darüber hinaus trotz starker gefühlsmäßiger Belastung- für die betroffene Familie langfristig auch eine Hilfe sein. Denn für Eltern, deren Kind plötzlich und unerwartet gestorben ist, erhält (später) die Frage nach der Todesursache, das Suchen nach glaubwürdigen Erklärungen und einer Entlastung von hartnäckigen Selbstvorwürfen, aber auch die Frage nach genetischen Dispositionen und danach, ob nachgeborene Kinder bedroht sind, plötzlich zu sterben, zentrale Bedeutung.
Durch die Befunde der Obduktion können ihnen einige ihrer wesentlichen Fragen beantwortet und kann ein Teil ihrer Zweifel und Selbstvorwürfe gemindert werden.
Der Totenschein sieht in der Regel drei Möglichkeiten zur Bescheinigung der Todesart vor:
- natürlicher Tod (Tod durch eine Erkrankung, die bereits aus der Anamnese bekannt war)
- unnatürlicher Tod (z.B. Tod durch Unfall oder durch Fremdverschulden)
- ungeklärter Tod (Tod ohne Begründung aus der Anamnese noch durch äußerliche Leichenschau)
Der Notarzt kann einen natürlichen Tod bei einem SID nicht attestieren.
Die verbreitete Praxis, bei einem vermuteten SID in der Todesbescheinigung als Todesart "natürlicher Tod" anzugeben, um der betroffenen Familie eine polizeiliche Ermittlung und eine Obduktion zu ersparen, ist angesichts der hiermit verbundenen psychosozialen Belastung zwar nachvollziehbar. Die nicht zu unterschätzende entlastende Seite, die eine Obduktion langfristig für die Betroffenen hat, bleibt der Familie damit allerdings vorenthalten. (Anm. Dies gilt nicht für Bayern und einige andere Bundesländer. Hier wird die Obduktion durch die Staatsanwaltschaft angeordnet.)
Selbstverständlich kann die Obduktion für die Betroffenen nur dann hilfreich sein, wenn Ihnen die Befunde in ausführlichen Gesprächen mitgeteilt und erklärt werden. Das erste Gespräch sollte deshalb auch so schnell wie möglich nach der Obduktion des Kindes angeboten werden. Außerdem ist ausgesprochen wichtig, dass die Eltern die Gelegenheit erhalten, als erstes ausgiebig mit dem Arzt oder der Ärztin in der Pathologie oder Rechtsmedizin, der/die ihr Kind untersucht hat, zu sprechen, weil deren authentische Auskunft für sie am glaubwürdigsten ist.
Wird eine Obduktion durch aufgrund der Todesbescheinigung "ungeklärter Tod" die Staatsanwaltschaft angeordnet, müssen die Eltern zwar informiert werden; die Obduktion kann aber ohne ihre Zustimmung durchgeführt werden. Alle Kosten der gerichtlichen Obduktion, einschließlich Überführung zur Rechtsmedizin, werden von der Staatskasse getragen. Die Ergebnisse und insbesondere die Obduktionsunterlagen dürfen bei einer gerichtlichen Obduktion nur dann aus den Rechtsmedizinischen Institut an Dritte (damit auch an die betroffenen Eltern und die behandelnden Ärzte und Ärztinnen) weitergegeben werden, wenn eine Einwilligung der Staatsanwaltschaft eingeholt worden ist. Diese Einwilligung wird jedoch im allgemeinen erteilt.
Anmerkung: Gilt in der Regel für Bayern und einige andere Bundesländer
Geben die Eltern selbst eine Obduktion in Auftrag (hierbei gilt auch ein mündlicher Vertrag), ist vorab die Kostenfrage zu klären, denn sowohl in der Pathologie als auch in der Rechtsmedizin werden Gebühren in unterschiedlicher Höhe erhoben.
Sowohl beim Auftrag als auch bei Einwilligung zu einer Obduktion ist vorab zu vereinbaren, ob, in welchem Umfang den Eltern und evtl. behandelnden Ärztinnen und Ärzten die Befunde der Obduktion mitgeteilt werden.
Entnommen aus: Plötzlicher Säuglingstod - Hilfe und Unterstützung für betroffene Familien
- Informationen und Empfehlungen für Haus- und Kinderärzte - GEPS Deutschland e.V., S. 12 - 14
Abschied
Nehmen Sie ruhig und bewusst Abschied von Ihrem toten Kind
Auch nach der Obduktion können Sie sich Ihr Kind anschauen. Sollten Sie Bedenken haben, bitten Sie eine Person Ihres Vertrauens Sie zu begleiten.
Erkundigen Sie sich in Großstädten, in welche Aussegnungshalle ihr Kind überführt wurde.
Falls Sie den Wunsch haben Ihr Kind zu waschen und selbst (mit eigener Kleidung) anzuziehen, wenden Sie sich bitte an Ihr Bestattungsinstitut.
Ansonsten kann es beruhigend sein, sich von dem friedlichen und wohlgekleideten Zustand des Kindes vor der Beerdigung noch einmal zu überzeugen. Es gibt Ihnen die Gelegenheit, nochmals bewusst Abschied vom Körper Ihres Kindes zu nehmen.
Sich den Tod - ist er für Sie auch noch so schmerzhaft und unfassbar - vor Augen zu führen, hilft diesen letztlich eher zu begreifen.
Manche Eltern fertigen ein Foto, einen Hand- oder Fußabdruck Ihres toten Kindes an, um dieses Andenken später einmal anzuschauen. Dadurch können Sie sich das letzte reale Bild Ihres Kindes vergegenwärtigen und beugen Phantasiegebilden der Zukunft vor.
Erlauben Sie auch den Geschwistern, Angehörigen und Freunden, sich vom toten Kind zu verabschieden. Wohlmeinende Ärzte und Leichenbestatter, die vielleicht anderer Meinung sind als sie, mögen Sie nicht verunsichern. Lassen Sie sich bei all Ihren Entscheidungen ganz von Ihren Gefühlen und Bedürfnissen leiten. Wenden Sie sich gegebenenfalls an eine vertraute Person oder selbstbetroffene Eltern, die Sie unterstützen können.
Entscheidend ist, dass Sie auf jeden Fall das tun, was Ihnen selbst in dieser schmerzlichen Situation richtig und angemessen erscheint.
übernommen von: Der Homepage der GEPS Bayern